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Luzia Gisler
politisch

Beruf und Familie

Nur ein familienfreundlicher Kanton ist auch ein lebenswerter Kanton.

Wenn Sie selber eine Familie haben, dann wissen Sie, wie schwierig es sein kann, alles unter einen Hut zu bringen. Gerade für viele junge Familien ist die Vereinbarkeit von Beruf und Familie oftmals mit Stress verbunden. Themen wie die hohen Kinderbetreuungskosten, der wachsende Steuerdruck oder der Rückgang von vergünstigten Leistungen (z. B. Prämienverbilligungen) beschäftigen viele Urnerinnen und Urner. Faktoren wie diese führen nicht selten dazu, dass viele Paare zum Schluss kommen, dass es sich nicht lohnt, wenn beide Elternteile einer bezahlten Arbeit nachgehen. Diese Entwicklung hat Folgen – und das nicht nur für die betroffenen Familien, sondern auch für die Wirtschaft und für uns als Gesellschaft. 

Das Wichtigste in Kürze:

Kinder benötigen liebevolle und unterstützende Beziehungen zu ihren Eltern und weiteren Bezugspersonen. Jede Familie wählt ihr eigenes passendes Familienmodell.
Bei der Förderung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie besteht im Kanton Uri grosser Nachholbedarf. So existieren beispielsweise in vielen Gemeinden keine oder nur unzureichende Kinderbetreuungsangebote.
Von besseren Rahmenbedingungen profitiert die ganze Gesellschaft: Eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie sorgt für eine höhere Erwerbstätigkeitsquote, für mehr Wirtschaftswachstum und Einkommensgleichheit.
Nebst der Politik sind auch die Arbeitgebenden gefragt: Mit zeitgemässen Arbeitsmodellen können die Urner Unternehmen die Rahmenbedingungen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie beeinflussen und langfristig verbessern.

Ohne starkes Familienumfeld geht es heute (fast) nicht

Leider liegt der Kanton Uri betreffend der Vereinbarkeit von Beruf und Familie im schweizweiten Vergleich im Rückstand. So haben wir zum Beispiel im Gegensatz zu vielen anderen Kantonen noch immer kein Kinderbetreuungsgesetz. Dabei wäre genau ein solches wichtig, um klare Regeln zu schaffen und die Kinderbetreuung für alle Urner Familien zu erleichtern.   

Tatsache ist auch, dass es bei der familienergänzenden Kinderbetreuung eine grosse Diskrepanz zwischen den Regionen gibt. Während manche Gemeinden seit Jahren Betreuungsgutscheine anbieten, existieren diese andernorts nicht. In vielen kleineren Gemeinden gibt es zudem heute noch immer keine Mittagshilfe oder Angebote für die Nachmittagsbetreuung. Im Klartext: Während sich Familie und Beruf zum Beispiel in Altdorf organisieren lassen, ist das in den Seitentälern ohne starkes Familienumfeld oftmals ein Ding der Unmöglichkeit. Hier gilt es, gleiche Chancen für alle zu schaffen. 

Renten- und Versorgungslücken sind vorprogrammiert

Die fehlenden Möglichkeiten zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie wirken sich nicht nur auf den direkten Familienalltag aus; sie haben auch langfristige Auswirkungen auf die finanzielle Sicherheit von Frauen. Eine Scheidung kann zu Renten- und Versorgungslücken führen, die viele Frauen in den Niedriglohnsektor, prekäre Arbeitsverhältnisse oder sogar in die Sozialhilfe drängen. In meinem Beruf als Abteilungsleiterin Soziale Dienste der Stadt Zug erlebe ich diese Problematik immer wieder – und auch die Statistik spricht eine deutliche Sprache: In der Schweiz bezieht knapp jeder sechste Haushalt mit einem alleinerziehenden Elternteil Sozialhilfe. 

Selbständigkeit beibehalten

Genau deshalb finde ich es ungemein wichtig, dass Frauen selbständig bleiben – und das nicht nur sozial, sondern auch beruflich und finanziell. Ich selber bin seit mehr als 27 Jahren mit meinem Mann verheiratet. Wir lieben und schätzen uns – trotzdem war und ist es mir sehr wichtig, sozial abgesichert sein. Diese Botschaft versuchte ich auch meinen mittlerweile erwachsenen Kindern und insbesondere meinen beiden Töchtern auf den Weg zu geben. Und genau dieses Selbstverständnis möchte ich auch anderen Urner Frauen vermitteln. 

Die Selbständigkeit kommt übrigens nicht nur uns Frauen zugute. So ist es beispielsweise auch für meinen Mann entlastend zu wissen, dass auch ich die Familie finanziell tragen könnte – das sorgt vor allem in wirtschaftlich schwierigen Zeiten für Sicherheit. Dass solche schwierige Zeiten schneller eintreffen können, als man es vielleicht selbst denken würde, erlebten mein Mann und ich hautnah: Als der Arbeitgeber meines Mannes seinen Schweizer Standort aufgab, waren wir froh um die Gewissheit, dass die finanzielle Absicherung unserer Familie durch meine berufliche Tätigkeit gewährleistet gewesen wäre. 

Eine Investition in die Zukunft

Wenn wir in die Vereinbarkeit von Beruf und Familie investieren, lohnt sich dies insbesondere auch wirtschaftlich. Der Fachkräftemangel stellt die Unternehmen im Kanton Uri vor grosse Herausforderungen. Und da die Gesellschaft in Zukunft immer älter wird (siehe Beitrag zur Gesundheitslage), wird sich dieses Problem weiter zuspitzen. Das bedeutet: Wir brauchen Frauen, die ihre erworbene fachliche Kompetenz in die Arbeitswelt einbringen – und damit ihren Beitrag zur Entwicklung der Urner Wirtschaft leisten. Nicht zuletzt deshalb sollten alle Männer ein grosses Interesse daran haben, dass die Urner Frauen unabhängig und selbständig bleiben. 

Urner Unternehmen sind gefordert

Hier erwarte ich auch von den Arbeitgebenden einen entsprechenden Beitrag. Die Urner Arbeitgebenden sind gefordert, ihre Rahmenbedingungen an die gesellschaftlichen Entwicklungen anzupassen. So sollten beispielsweise flexible Arbeitsmodelle noch viel stärker gefördert werden. Moderne Arbeitsmodelle wie Co-Leitungen, Jobsharing und flexible Teilzeitmodelle sollten in Zukunft nicht «Nice to have», sondern in allen Unternehmen selbstverständlich sein. 

Fazit

Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist für mich nicht nur politisch ein grosses Anliegen, sondern eine entscheidende Voraussetzung, um die Zukunft erfolgreich zu gestalten. Ich bin überzeugt: Eine familienfreundlichere Gesellschaft im Kanton Uri macht nicht nur den Einzelnen, sondern unsere gesamte Gemeinschaft stärker und widerstandsfähiger.